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Author Topic: Fiona Spin Off von „auf zu neuen Ufern“  (Read 2424 times)

Offline Uniphase

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Fiona Spin Off von „auf zu neuen Ufern“
« on: 08. August 2022, 18:26:13 PM »
Fiona

Dies ist das Spin Off über Fiona, eine der Protagonistinnen in meiner anderen Story „auf zu neuen Ufern“

Irgendwo im Pazifik, rund 300 Kilometer vor Chile gibt es eine Insel: Saint Hiram.
Von den Britischen Seefahrern entdeckten und zur Kolonie erklärt. Seine Lage war nicht ideal, aber auch nicht unbrauchbar bei der Umschiffung Südamerikas, so bildete sich dort mit der Zeit eine Stadt und ein Handelshafen, der wegen den steilen Küsten auch heute noch mit den grössten Ozeanfrachtern angefahren werden kann. Einige Steuertricks machen Saint Hiram auch interessant, um Waren umzuladen und zu lagern. So entwickelte sich über die Jahre eine Ökonomie, die nicht nur selbsttragend ist, sondern jedes Jahr mehr Steuereinnahmen in die Staatskasse spült, als mit einer sorgfältigen Ausgabe-Politik ausgegeben werden. Saint Hiram ist inzwischen ein von Grossbritannien unabhängiger Staat und Mitglied des Commonwealth.
Die Einwohner stammen zu einem grossen Teil von Zuwanderern aus Grossbritannien ab. Und sie sind stolz darauf. Manche behaupten, die Hiramianer seien britischer, als die Wachen vor dem Buckingham Pallace.

Fionas Familie ist ein typisches Beispiel einer solchen Familie. Ihr Urgrossvater kam aus Wales und fand als Schlosser Arbeit in einem Betrieb, der sich Schiffen annahm, die auf der Durchreise mechanische Probleme hatten. Später begann er alte Militärfahrzeuge aus Australien zu importieren und diese aufgearbeitet in Saint Hiram weiterzuverkaufen. Allradgetriebene Autos sind fürs dortige Terrain ideal. Ihr Grossvater übernahm das Geschäft, baute es aus und gab es an seinen einzigen Sohn, Fionas Vater, weiter. Dieser machte die Firma zu Saint Hirams grössten und mehr oder weniger einzigen Autohaus.
Fiona und ihre zwei Jahre ältere Schwester Katy hatten eine finanziell sorgenfreie Kindheit. Der Vater hätte zwar noch gerne einen Sohn als Stammhalter gehabt, aber fand sich damit ab, dass Geschäft den beiden Töchtern zu übergeben. Oder einem Schwiegersohn, der ihm für eine seiner beiden Töchter gut genug ist. Und so wuchsen die beiden Mädchen zu Frauen heran, finanziell versorgt, aber immer noch unter der Kontrolle des Vaters. Und die Mutter? Haben Fiona und Katy auch eine Mutter? Natürlich. Sie lebt ebenfalls in einem goldenen Käfig, unter der Kontrolle eines äusserst dominanten Ehemanns und hat ihre Rolle vor Jahren akzeptiert.

Fiona und Katy haben zwar ihre eigenen Wohnungen im stattlichen Anwesen des Vaters, arbeiten aber in seinem Autohaus und essen bestimmt vier Mal wöchentlich mit Papa und Mama zu Abend.
Alles nahm seinen Lauf, bis sich Katy vor etwa vier Monaten in einen Mechaniker im Autohaus verkuckt hat. Und er wahrscheinlich auch in sie, denn man muss anmerken die beiden jungen Frauen sind hübsch.
Fionas Vater erfuhr von der Liaison, schmiss den Mechaniker fristlos raus und bezahlte ihm den ersten Flug zurück nach England.
Das sorgte für Unruhe, und die beiden Frauen erklärten ihrem Vater, dass sie sofort mehr Verantwortung im Betrieb, weniger Kontrollen und absolute Freiheit bei der Wahl ihrer Partner verlangen. Papa sprach mindestens eine Woche nicht mehr mit ihnen, lud sie dann aber per WhatsApp zum sonntäglichen Dinner ein.
„Katy, Fiona, ich und Mama haben nachgedacht. Ja, wir haben euch zu sehr an der kurzen Leine gehalten. Ich habe das nur gemacht, weil ich nur das Beste für euch beide will. Ich hoffe ihr wisst das. Wenn ihr aber Freiheit wollt, heisst das auch, dass ihr beide Privilegien abgegeben müsst. Eure Familien-Kreditkarten werden ab morgen gesperrt sein, und ihr könnt nur noch so viel ausgeben wie ihr verdient. Ich wollte Mietzins für eure Wohnungen verlangen, Mama war dagegen. Somit könnt ihr weiterhin hier leben...“

Diesen Abend sassen Fiona und Katy noch lange zusammen und diskutierten, was sie mit ihrer neuen Freiheit anstellen sollten. Sie waren sich durchaus bewusst, im goldenen Käfig zu wohnen.
Ausziehen? Neue Jobs suchen. „Auf jeden Fall einen hübschen Mann mit Knackarsch suchen!“ rief Fiona.
„So einen gibt es nicht auf Saint Hiram, und auswandern will ich nicht.“ erwiderte Katy.

Am nächsten Abend fuhr Fiona mit ihrem roten Fiat 500 Innocenti nach Hause, stellte ihn in die Garage und warf noch einen Blick in den Briefkasten. Sie fand einen Brief ihres Kieferorthopäden, dass es wieder Zeit für die jährliche Kontrolle wäre, mitsamt Termin.
Als Fiona in ihre Wohnung kam, musterte sie ihre Erscheinung, wie jedesmal, wenn sie an einem Spiegel vorbei kam. Sie war zwar nur einssechzig gross, hatte aber einen strammen Body, blonde Locken, leuchtend blaue Augen. Da sie im Auohaus des Vaters auch auf gewisse Weise repräsentieren musste, war sie immer in piekfein und teuer gekleidet. Bezahlt mit der Familien-Kreditkarte. Sie legte auch Wert auf ein makelloses Make-up, welches mehrmals täglich überprüfen und nachgearbeitet wurde.

Sie hatte Angst vor diesem Termin. Sie hatte immer Angst zu Dr. MacGee zu gehen, auch schon als Kind. Sie trug darum auch jede Nacht die beiden Retainer. Dr. MacGees Behandlungsmethoden sind eher unorthodox aber seine Resultate sind famos. Und er ist der einzige Kieferorthopäde auf der Insel. Somit alternativlos.

Als sie sich fürs zu Bett gehen bereit gemacht hat, hatte sie ihre Zähne an diesem Abend besonders gut angesehen, bevor sie ihre beiden Retainer einsetzte. Und sie war überzeugt, sie hatte nichts zu befürchten. Sie hatte die Gewohnheit mit ihrer Zunge gegen die Frontzähne zu drücken, was einen leichten Sprachfehler verursachte. Dr. MacGee erwähnte es bei jeder jährlichen Kontrolle, sah keinen einen Grund deswegen etwas zu unternehmen.

Die beiden Töchter und der Vater fuhren immer in drei Autos ins Geschäft und man traf sich oft auf den eigenen Parkfeldern vor dem Autohaus.
„Guten Morgen!“ rief Katy ihrer Schwester zu, die gerade aus ihrem Fiat stieg und ihre blonden Locken richtete. Sie trug heute enge, schwarze Hosen ein weisse, relativ weite Bluse, grosse Goldohrringe und Stiefeletten mit spitzen Absätzen. „Du siehst heute wieder grandios aus!“
„Danke. Du aber auch! Ich habe gestern einen Brief von MacGee bekommen. Mein Jahrestermin steht wieder an...“
„Ich auch. Ich hab jetzt schon schiss davor.“
„Weisst du was? Ich hab meine Beisserchen gestern Abend ganz genau angeschaut, und ich habe keeeeinen Grund nicht erhobenen Hauptes in die Praxis zu marschieren!“ sagte sie und zeigte ihre perfekt in Reih und Glied stehenden, zusätzlichen aufgehalten Zähne.
„Du hast wahrscheinlich recht! Keinen Grund sich Sorgen zu machen. Vorwärts Schwester!“ ihr eigener Schlachtruf.
„Vorwärts Schwester! Ich habe meinen Termin am Montag um eins. Und du?“
„auch montags, allerdings um halb drei. Wahrscheinlich im Anschluss an deinen.“
„Ich glaube kaum, dass es bei mir neunzig Minuten dauern wird. Nach spätestens einer Viertelstunde bin ich wieder draussen.“

Da täuschte sich Fiona.
Am Montag, pünktlich um 13:00 wurde sie von dieser Assistentin, mit diesem riesigen Kunststoffteil im Mund ins Behandlungszimmer geführt. Sie fragte sich, warum die freiwillig jetzt schon seit Monaten dieses Ding trägt? Für sie wäre es ausgeschlossen, wieder eine Zahnspange zu tragen. Im alleräusesten Fall solche transparenten Kunststoffschienen, die man jetzt manchmal auf Social Media-Kanälen sieht. Sie fuhr sie mit der Zunge über die Zähne und war einmal mehr sicher: in ein paar Minuten steht sie wieder draussen.
Dr. MacGee kam herein, begrüsste sie wie üblich, mit einem schlaffen Händedruck und ohne in die Augen zu schauen. Er war schon auf ihre Zähne konzentriert. Früher machte ihr dies Angst. Heute fand sie den alten Kauz lustig.
Er kratzte in ihrem Mund herum, sah sich immer wieder alte Unterlagen und Röntgenbilder an, murmelte etwas vor sich hin und lies die Assistentin mit der riesigen Zahnspange kommen.
„Machen nehmen sie bitte von... äh... Fran.... Fiona Abformungen. Mit den ganzen Gaumen. Wenn es nicht auf Anhieb klappt, versuchen sie es nochmals. In diesem Fall ist es wichtig. Dann Röntgenbilder gemäss dieser Liste.
Jetzt wurde Fiona nervös. „Ist etwas mit meinen Zähnen nicht so wie es soll. Muss ich mir grosse Sorgen machen?“
„Ah du lispelst ja immer noch ein bisschen. Ich bin davon ausgegangen, dass sich das auswachsen würde. Das sollten wir auch noch näher anschauen.“

Bis ein brauchbarer Abdruck entstanden war, mussten mehrere Anläufe genommen werden. Fiona musste sich jedesmal fast übergeben, und fühlte sich schlecht, als sie aus dem Stuhl aufstehen durfte.
Dann waren die Röntgenbilder an die Reihe. Es war Fiona unmöglich die Regieanweisung der Assistentin zu verstehen. Sie fragte sich, warum man jemanden, wie die, an einem solchen Ort einsetzt? Völlig ineffizient! Bei ihr im Autohaus, wäre so etwas unmöglich.

Sie wurde gebeten, wieder im Wartezimmer Platz zu nehmen. Zuerst setze sie ihre Ohrstecker wieder ein, die für die Röntgenbilder entfernen musste, dann frischte ihr Make-up auf, dass stark gelitten hatte.
Sie wurde ungeduldig.
Warten war nicht ihre Stärke.
„Entschuldigung, wie lange muss ich noch warten.“
„Das kann ich ihnen nicht sagen. Aber den nächsten Patienten haben wir um 14:30 eingetragen, so lange kann es schon noch dauern.“
„Der nächste Patient ist meine Schwester...“
„Ach, wie süss. Stimmt, sie haben recht, der selbe Familienname.“

Etwa um zwei wurde Fiona wieder ins Behandlungszimmer geführt. Sie setze sich wieder auf den Stuhl und bekam das Papierlätzchen umgebunden. Dann kam MacGee mit Gipsmodellen öffnete am Computer haufenweise Röntgenbilder. Bin ich das alles? dachte sie.
Er kam direkt zur Sache: „bei dir ist eine Behandlung notwendig. Es ist viel Zeit vergangen seit du aktiv behandelt wurdest...“ ab diesem Zeitpunkt war Fiona nicht mehr bei der Sache. Was hat er gesagt? „Behandlung notwendig...“ diesen Satz hörte sie in ihrem Kopf immer und immer wieder. Als sie wieder einmal zuhörte, verstand sie eh nichts mehr. Aber hat er wirklich „Behandlung notwendig...“ gesagt? Zahnspangen? Sie? In ihrem Alter? No way!
„... dieses Mal werde ich auch etwas mehr Augenmerk auf die Sache mit dem Lispeln legen...“ Sie war schon wieder abgeschweift. Zahnspange? Sie? Nur über ihre Leiche!
„... also dann werde ich mal einen Kostenvoranschlag erstellen, und dir zukommen lassen. Günstig wird es nicht.“
„Ja. Gut. Danke. Darf ich jetzt gehen?“
„Selbstverständlich. Bis bald!“
Was bis bald? Vergiss das, du alter Zausel. Sie dachte es nur.

Und schon stand sie im Wartezimmer, wo ihre Schwester warte.
„Du immer noch hier?!“
„Der spinnt wohl?! Wieder eine Spange, bei diesen Beisserchen...“
„bis jetzt fühlt ich mich gut, aber ich bekomme Panik, Fiona!“
„Vergiss es, lass ihn machen. Sehen wir uns zuhause? Melde dich, wenn zurück bist.“

Fiona war zwar keiner und jünger als Katy, hatte aber schon immer mehr Energie und Initiative.

Einige Wochen zuvor brauchte Dr. Ronald MacGee seinen Morgan zum Service ins Autohaus.Fionas Papa sah im elektronischen Terminsystem, dass er um einen persönlichen Termin nachgefragt hatte. Papa ging zum zuständigen Mechaniker und meinte:
„Doc MacGee übernehme ich jetzt selbst.“
Niemand wollte in Vergangenheit für diesen alten Kauz zuständig sein. Er war nie mit der Arbeit zufrieden, er wusste es immer besser, und die alte Karre musste man kennen, um sie erfolgreich am Laufen zu halten. Der Mechaniker war deshalb erstaunt.
„Aber Chef, kennen sie sich den mit dieser Rostlaube aus? Ich kenn inzwischen jede verdammte Unterlagsscheibe.“
„Die Arbeiten machst du natürlich weiterhin. Ich übernehme den Kundenkontakt. Du weisst, ich habe seit Jahren nicht mehr richtig geschraubt.“
Toll, die Drecksarbeit bleibt bei mir, dachte sich der Mechaniker. Und die wirklich grosszügige Trinkgelder kann er sich auch ans Bein streichen. Manchmal schien es so als könne der Chef Gedanken lesen.
„Das Trinkgeld bekommst du natürlich weiterhin! Ich leg dir noch etwas drauf...“
„War etwas nicht in Ordnung? Gab es Beschwerden?“
„Nein, ganz und gar nicht. Du weisst ja, du bist mein bester Mann.“ Er ergriff seine Schulter und drückte diese mit seiner riesigen Hand zusammen. Es tat weh. „Aber du weisst auch: old crazy bloke.“ und dabei drehte er seinen Zeigefinger neben seiner Schläfe um anzudeuten: der hat einen Vogel.

Fiona nahm den Doc in Empfang, wie sie eigentlich alle Kunden empfing.
„Guten Tag Doc MacGee, warten sie bitte einen Moment, ich hole ihren Mechaniker.“ Sie stand auf schenke dem Doc eine sehr intensive Version ihres perfekten MacGee-Lächelns und stöckelte Richtung Garage, so dass die Augen, wenn man ihr nachsah, und das tat man als Mann unweigerlich, mit den Augen an ihren beiden Pobacken hinter einem Etuikleid in Violett, hängen blieben. Sie liebte es, wenn sie wusste, dass ihr die Augenpaare folgten, wenn sie durch den männerlastigen Betrieb ging.
Sie trug ausserdem schwarze Schuhe, deren Absätze für eine Garage etwas zu hoch waren.
Auch der Doc schaute ihr nach, und dachte: diese Zähne, bei ihr habe ich wirklich ganze Arbeit geleistet.... wieviel Jahre ist‘s her? Und immer noch perfekt!
Fiona dachte sich: dieses Arschloch! Wieviele Stunden hab‘ ich bei dem in der Praxis verbracht wegen meinen Zahnspangen? Sie war sie sich nicht sicher, ob sie vor ihm Angst hat, oder ihn abgrundtief hasst. Aber das Resultat, war fantastisch, sie war stolz auf ihr perfektes Gebiss, dass sie bei jeder Gelegenheit sehr gerne präsentierte.

Sie war dann allerdings etwas erstaunt, als ihr der Mechaniker sagte:
„Sorry Fiona, dein Vater hat gesagt, er übernehme den Doc.“
„mein Vater? Wirklich?“
„Ja, er war vor rund eine Stunde hier in der Garage.“ um dem ganzen Nachdruck zu verleihen, ergänzt er: „er stand da, wo du jetzt stehst, und glaube mir, meine Schulter schmerzt immer noch!“
Sie mussten beide lachen. Fiona ihr perlenweisses Aufgebleichtes, der Mechaniker eher eins, dass durch eine Schicht Nikotin eine rehbraune Farbe hatte.

Während sie aus der Garage zurück an ihren Arbeitsplatz ging, verfolgt von Augenpaaren in blauen Überkleidern. Sie nahm ihr Smartphone und wählte die Nummer ihres Vaters.
„Papa? Doc MacGee ist hier. Du hättest in übernommen?.... an meinem Desk. Liebe dich!“ und sie legte wieder auf.
Ihr Vater war vor ihr bei Doc.
„MacGee! Immer eine Freude dich hier zu sehen.“
„Das glaub‘ ich dir, Mech. Habe ich doch das Gefühl, meine Karre hätte dir dies alles hier finanziert...“ beide lachten jovial und gaben sich die Hand.
„Ist der junge Mann nicht mehr bei dir, der meinen Morgan sonst betreut hat? Ich war sehr zufrieden mit ihm.“
„Natürlich ist er noch hier. Einer meiner Besten. Lass uns deinen Wagen in die Garage fahren. Aber nachher möchte ich noch etwas mit dir im Büro besprechen. Ich hoffe, ich kann einige deiner kostenbaren Minuten in Anspruch nehmen?“

Die beiden Männer sassen in Büro des Chefs, die Tür war geschlossen, und beide hatten ein Glas Whisky mit Eis vor sich auf den Tisch.
Nachdem sie sich zugeprostet haben und einen Schluck die Kehle hinunter liefen liessen, fragte MacGee: „wo drückt der Schuh, Mechaniker? Aber du weisst, ich bin Zahnarzt, nicht Schuhmacher.“
Beide lachten eines dieser Männerlachten, dass warscheinlich noch aus der Zeit stammt, als Männer gemeinsam aus der Höhle Mamuts erlegen gingen.
„Hab da Probleme mit der Jugend!“
„Welche der beiden? Fiona hat übrigens immer noch ein Gedicht von einem Lächeln. Wurde gerade stolz auf mich, als sie es mir vorher zeigte.“
„Beide. Sie werden aufmüpfig und frech.“
„Habe mir schon gedacht, dass du dich deswegen irgendwann bei mir melden wirst. Beide? Was hast du dir den vorgestellt?“
„Ja, beide. Bei der Kleineren etwas intensives, die Grosse braucht nur einen Denkzettel. Und etwas, dass Verehrer auf Distanz hält.“
„Du kennst meinen MacGee-Modifyer? Sehr effizient, beliebt und kann, wie der Name sagt, für das jeweilige Bedürfnis modifiziert werden. Ich habe gerade eine Lightversion an Carl verkauft.“
„Nein, die Mädels müssen sich hier unterhalten können. Speziell die Kleine, etwas weniger Geschnatter wäre allerdings schon schön.“
„Zeitrahmen? Open End? Beide?“
„Open End. Beide.“
„Ich sehe in welche Richtung es geht: beide werden Bänder bekommen, alle Zähne. Und beide werden im Oberkiefer einen Facebow bekommen. Fest eingesetzt, wenn‘s dir recht ist?“
„Yes, ist mir noch so recht.“
„Die Kleine braucht etwas zusätzliche Disziplinierung, sagst du? Da würde ich noch einen unteren Facebow vorschlagen. Den muss sie allerdings herausnehmen können. Sonst verhungert uns das arme Ding noch. Und wenn wir ihr Lispelten angehen, wird sie einige Zeit etwas Mühe beim Sprechen haben.“
„Tönt gut!
„Bei der Grossen einen Headgear oben..“
„Auch fest?“
„... auch fest! Und dann hat sie doch einen leichten Unterbiss, den könnten wir auch gleich korrigieren. Und dann würde ich dir für später schon gerne einen Modifyer aufschwatzen. Der hält dir alle rolligen Jungspunde fern. Garantiert! Aber wir können das Programm jederzeit sich ändernden Situationen anpassen. Einfach anrufen.“
„Das tönt nach einem Plan!“
„Start der Mission?“
„Sofort!“
„Sofort. Es ist eine wahre Freude mit dir Geschäfte zu machen. Günstig wird es allerdings nicht, das kann ich dir sagen.“
„Geld spielt keine Rolle, wenn das Resultat stimmt!“
„Das ist ein Wort! Prost!“
„Prost!“

Nächste Woche im Geschäft kommt der Vater an Fionas Arbeitsplatz:
„in zehn Minuten in meinem Büro. Hol Katy.“
der Vater war schon immer sehr direkt. Trotzdem fragte Fiona nach:
„um was geht es?“
„um eure Zähne. Ich habe von MacGee eine Offerte bekommen. Das könnt ihr beide nie bezahlen. Darum will ich euch einen fairen Vorschlag machen.“

Wieso hat er diese Offerte? Natürlich hat sie sie auch bekommen. Katy auch. Am gleichen Tag. Sie haben dann aber beschlossen, diese wegzuwerfen und die Geschichte als gegessen zu betrachten.

Papa sass hinter seinem Pult, die beiden Töchter auf der gegenüberliegenden Seite
„Ich komme gleich zum Punkt, Mädchen. MacGee hat mir die Offerte auch zukommen lassen, weil er sich gedacht hat, dass ihr diese Beträge nie aufbringen könnt. Oder wie wollt ihr sowas bezahlen?  Warum habe ich noch nichts von euch beiden gehört?“
„Vielleicht, weil wir beschlossen haben, es nicht machen zu lassen?“ antwortete Fiona.
„Nicht machen lassen? Ein Arzt sagt euch, dass ihr eine Behandlung benötig, und ihr findet, dass sie nicht notwendig sei? Wir sagen einem Kunden Bremsbelägen seien abgefahren, und er findet es sei nicht nötig, diese zu ersetzen? Wisst ihr wo der endet? Auf dem Friedhof, bestenfalls im Spital.“
„Aber Papa, schau unsere Zähne an. Weiss und in Reih und Glied. Was will man mehr? Und wir haben gemeinsam abgemacht, dass wir mehr Freiheit bekommen!“ erwiderte Fiona. Katy sass stumm daneben und sah sich ihre Schuhe und den Fussboden an.
„Heisst das Freiheit für euch beide? Einen ärztlichen Rat in den Wind zu schlagen? Warum? Wegen des Geldes? Ich hab mehr als genug davon! Ihr könnt beide jederzeit zu mir kommen, wenn ihr aus einem solchen Grund Geld braucht.
Was meinst du Katy, gehen wir die Sache an? Ich übernehme alle Kosten.“
Fiona dachte sich: toll, jetzt fragt er logischerweise Katy zuerst, die knickt ein, und ich steh dann im Regen.
Und es war genau so.
„Ja, ok, wenn du meinst.“ antwortete Katy mit dünnem Stimmchen.
„Gut, danke. Hier ist dein nächste Termin bei Doc MacGee.“
Er reichte ihr einen Zettel über den Tisch, Katy nahm ihn, schaute ihn an und sagte: „was? Schon morgen?!“
„Natürlich, wenn wir etwas anpacken, dann rasch und gründlich. Meinst du, unsere Familie konnte dies hier alles mit Larifari aufbauen? Katy, du kannst gehen. Fiona, du bleibst bitte noch einen Moment hier.“
Katy verliess mit hängender Schulter und einem kleinen Zettel in der Hand das Büro. Sie wusste, dass sich Papa und Fiona wieder einmal fetzen werden. Und sie fühlte sich irgendwie mitschuldig, wie immer in solchen Situationen.
„Fiona mach bitte die Tür zu, deine Schwester hat es vergessen.“
Fiona stand auf ging zur Tür, schloss diese, und noch bevor sie wieder auf ihrem Stuhl sass, sagte sie: „aber Papa, jetzt hörst du mal zu...“
Sie erwarte, dass ich Vater mit: „nein, zuerst hörst du mir zu.“ erwiderte. Aber es kam nichts. Sie sass wieder auf dem Stuhl. Immer noch mäuschenstill. Da kam von seiner Seite ein simples: „Ja?“
Sie sahen sich in die Augen, und beide mussten lachen.
„ach, meine Fiona! Katy ist wie Mama, und du hast den selben Schädel wie ich. Schade bist du nicht als Junge zur Welt gekommen.“
„He! Was soll das wieder heissen?!“
„Wie ich es sage. Ich bin diesbezüglich alter Schule. Und die war nicht nur schlecht, das sag‘ ich dir, meine schöne Tochter. Aber so wie’s ist, ist’s immer noch besser, als wenn Katy der Junge gewesen wäre.“
Irgendwie, mit dreissigjähriger Erfahrung, wusste Fiona: das war ein Kompliment.
„Danke.“
„Ich habe noch viel vor mit dir in dieser Firma, das weisst du...“
„... ja das ist mir schon bewusst...“
„Aber dazu musst du noch lernen unangenehme Dinge anzupacken und zu lösen, auch wenn sie dir nicht in den Kram passen. Und dies hier ist so eine Geschichte. Ich will nur das Beste für deine Schwester und dich, auch wenn es dir im ersten Moment nicht so erscheint.
Das ist dein nächster Termin. Ja, auch morgen.“ er schob ihr ebenfalls einen Zettel zu. Stand auf, ging um den Tisch, ging zur Tür, öffnete diese.
„Ich weiss, dass du mich nicht enttäuschen wirst.“

Seit der Diskussion mit Papa sind einige Tage mit Vorbereitungen vergangen.
Fiona sass wieder im Zahnarztstuhl. Heute wird sie zum zweiten Mal in ihren Leben Zahnspangen eingesetzt bekommen. Beim ersten Mal war sie ein kleiner, quirliger Teenager mit blauen Augen und blonden Löcken, und Papas Liebling. Sie wusste genau, wie sie ihn um den Finger wickeln konnte. Und meistens hat sie bekommen, was sie wollte. Auch wenn es nur seine Zuneigung war.
Heute ist sie eine dreissigjährige Frau. Seit einigen Tagen weiss sie, dass ihr Vater sie immer noch auf seine spezielle Weise liebt. Und dass diese Behandlung eine ganz eigenartige Form der gegenseitigen Zuneigungsbekungung darstellt. Ausserdem war sie einfach nur nervös.
Was nun folgte war lange und schmerzhaft. Alle ihre achtundzwanzig Zähne wurden mit einem Metallband mit angeschweisstem Bracket versehen. Das Einsetzen der Bänder war ein aufwändiger und für Fiona schmerzhafter Prozess. Ausserdem soll sie noch eine Apparatur bekommen, die ihr Lispeln therapieren soll. Und wovor sie am meisten Angst hatte: einen Headgear.

Nachdem mehrere Stunden in ihren Mund gearbeitet wurde, in denen sie zeitweise halb weggetreten war, und nur wegen einem Stich, oder einem dumpfen Schmerz kurzzeitig wieder in die Gegenwart zurück kam, hörte sie die erlösenden Worte:
„So, Fiona, wir wären fertig für heute, lass mich dir deine Apparaturen erklären.“
Sie wurde in eine aufrechte Sitzposition gefahren und man gab ihr einen Spiegel in die Hand. NEIN, DAS KANN NICHT SEIN!
Fiona legte immer schon Wert auf ihr Äusseres. Sie trug immer ein perfektes, klassisch-dezentes Make-up, dass einerseits ihre blauen Augen betone, allerdings auch ihre wohlgeformten Lippen noch mehr zur Geltung brachten. Ihre blonden Locken waren immer perfekt frisiert. Und auch ihre Kleidung war ihr wichtig. Sie hatte nur edle Stoffe und Schnitte bekannter Modehäuser in ihrer Garderobe. Sie sah sich selbst als moderne Version von Grace Kelly.
Heute hatte sie sich für einen weissen Hosenrock, ein hellblaues Hemd und ein grünes Foulard von Hermes entschieden. Dazu einen hellen Kamelhaarmantel mit Pelzkragen.
Und jetzt das: was ihr zuerst auffiel waren zwei Facebows, die aus ihrem Mund standen. Sie öffnete reflexartig den Mund und die beiden Facebows gingen auseinander wie ein Entenschnabel. Die Lippen konnten sie zwar noch schliessen, aber die Facebows waren davor noch sichtbar. Sie drehte ihren Kopf leicht zur Seite und erspähte einen Headgear, der vom Scheitel bis eine Handbreit oberhalb des Nackens ihre blonden Locken richtiggehend zusammenquetschte.
Ihr stand das Wasser in den Augen und sie öffnete den Mund.
Allerdings wurde das öffnen ihres Mundes durch weisse Gummiringe behindert, die zwischen den beiden Kiefer gespannt waren.
All ihre schönen, gebleichten Zähne bis fast an die Schneidekanten hinter einem breiten, polierten Stahlband.
Im Gaumen stiess ihre Zunge gegen spitze Gegenstände, sodass sich diese reflexartig zurückzogen.
„Ja, Fiona, ich kann verstehen, dass du etwas verwundert bist, aber ich kann dir versichern, es ist notwendig und zu deinen Besten. Können sie ihren Vater hereinholen?“
„Ja, chchlar, schu meinem Beschten!“ und sie merkte, sie war nicht mehr in der Lage, sich verständlich zu artikulieren. Sie versuchte mit dem Papierlätzchen die Tränen an der Quelle aufzufangen, damit diese wenigstens nicht ihr Make-up noch ganz ruinieren. Die Assistentin reichte ihr eine Serviette.
Da stand ihr Papa neben ihr.
„Warum tuchsch du mi dachsch an, Papa?!“
„Ich tu dir nichts an, mein Schatz, es war Doc MacGees Lösungsvorschlag für dein Problem. Und ich bin zuversichtlich, das Resultat wird uns alle zufriedenstellen.“

Fiona wollte umgehend nach Hause, aber ihr Vater drängte sie, noch eine Bar auf der anderen Strassenseite aufzusuchen. Er sei durstig vom Warten und für sie sei es wichtig, sich so rasch als möglich mit der neuen Situation abzufinden. Im Autohaus käme sie ja auch mit vielen Leuten zusammen.
So landeten sie in einer fast halbleeren Bar. Papa bestellte einen Whisky, sie eine Cola.
In der Bar sprach der Vater einen Kunden aus dem Autohaus an, und führte sie wie einen Neuwagen vor. Es war ihr peinlich, aber der Typ schien aufrichtig mitfühlend gewesen zu sein.

Inzwischen ist ungefähr eine Woche vergangen. Katy hatte ebenfalls wieder Zahnspangen im Mund. Ebenfalls alle Zähne bebändert, und ebenfalls mit einem festverbundenen Facebow. Zusätzlich wurden ihr Herbstscharniere eingebaut.
Fiona war ein wenig eifersüchtig auf Katy, musste sie doch nur einen Facebow und einen Headgear um den Nacken tragen, und ihre Aussprache war weniger behindert.

Vor allem wegen dem oberen Facebow, den Fiona nicht entfernen konnte, war es schwierig eine adäquate Mundhygiene aufrecht zu erhalten. Darum hatte sie einen wöchentlichen Termin bei der Dentalhygienikerin, immer mittwochs um zehn Uhr morgens. Der kleine rote Fiat stand auf einem Parkplatz, sie schaute nochmals in den Spiegel, puderte ein wenig nach, die Lippen bekamen nochmals etwas Lippenstift.
Es war Zeit zu gehen. Sie hasste als Kind diese Praxis, sie hasste sie, wenn sie ihre jährlichen Kontrolltermine hatte, und sie hasste sie noch viel mehr, seit sie wieder in Behandlung ist. Die Schritte wurden immer schwerer, je näher sdem Gebäude kam. Normalerweise nahm sie die Treppe, aber heute war Lift fahren angesagt.
Sie trat in die Praxis; nur schon der Geruch, liess sie fast erbrechen.
Sie ging zur Rezeption, die Dame blickte auf, lächelte sie an (so ein perfektes MacGee-Lächeln hatte sie letztens auch noch) und sie nahm Luft zu etwas zu sagen. Die Rezeptionistin kam ihr zu vor.
„Fiona für eine Zahnreinigung um zehn, richtig?“
Sie war froh, dass sie nur mit nicken antworten konnte.
„Nehmen sie noch einen Moment Platz, es wird gleich jemand kommen.“
Fiona bedankte sich mit einem Kopfnicken und setze sich auf einen Stuhl, nahm ihr Smartphone aus der Handtasche und schrieb eine Nachricht.
Sie schrieb jetzt fast nur noch Nachrichten, sprechen viel ihr schwer und zudem verstand man sie nicht.
Die Message ging an ihre Schwester:
„Bin wieder im Folterkeller. Gespannt, was mich heute erwartet.“
Die Antwort kam postwendend: „Zahnreinigung? Da kann nicht viel schief gehen.“
„Dachte ich auch beim Kontrolltermin... :-(
„Ach ja. Jedenfalls VORWÄRTS SCHWESTER!“
„VORWÄRTS SCHWESTER!“

In diesem Augenblick kam die Dentalhygienikerin auf sie zu:
„Fiona?“
Sie nickte.
„Bitte hier entlang“
sie folgte ihr in einen Raum, einen normalen Behandlungsraum.
„Es könnte etwas länger dauern, ich würde den Mantel ablegen“
Was? Könnte länger dauern?
Fiona setze sich auf den Stuhl und bekam das Lätzchen umgebunden.
„So, dann schauen wir mal nach. Gut, den unteren Facebow kann ich entfernen.“ sie löste die beiden Module unter Fionas Ohren und zog den Facebow hinaus.
„Ich werde jetzt die Gummis aushängen.“
Fiona nickte und gab ein „a-a“ von sich.
„Dann schauen wir mal nach dem oberen Facebow. Oooh, der ist ja fest verlötet, das sieht nach einer sehr definitiven Lösung über eine längere Phase aus... das sieht man sogar hier sehr selten.“
Was wohl ‚längere Phase‘ bedeutet? Fiona überlegte sich nachzufragen, entschied sich dann, es zu lassen.
„Ich werde den Lippenspreizer einsetzen, das könnte in den Mundwinkeln etwas unangenehm sein, aber ich brauche diesen Raum, gerade in einem solchen Fall.“
Sie setze eine Apparatur ein, welche die Wangen auseinander spreizte und den Mund ganz weit aufsperrte. Fiona dachte, dass sie sie jetzt bestimmt, wie ein Kugelfisch aussehen würde. Mit diversen Schrauben erweiterte die Dentalhygienikerin die Apparatur bis es nicht mehr ging. Sie spürte ein Ziehen in den Mundwinkeln und bekam es mit der Angst zu tun, diese könnten womöglich reissen.
„Aa-aa!“ und sie winkte mit der Hand.
„Keine Angst, es geht nichts kaputt. Noch eine Drehung. So, jetzt bin ich zu frieden.“
Fiona war es nicht, es brennte höllisch in den Mundwinkeln.
„Aa-aa-ah!“
„In den Mundwinkeln? Ja, das wird die ersten zwei-drei Sitzung schmerzen. Allerdings gewöhnen sie die Patienten dann normalerweise daran. Ich werde jetzt die Vorreinigung  vornehmen, diese Paste ist grob und hat einen scheusslichen Geschmack. Nur, damals sie nicht erschrecken.“
Das Zeug schmeckte wirklich schrecklich, und Fiona hatte das Gefühl, ihr würde mit der groben Schuhbürste der Mund ausgeschrupt.
„Sie betrieben offenbar eine vorbildliche Mundhygiene, bevor ihnen die Apparaturen eingesetzt wurden. Ihr Zahnfleisch blutet praktisch nicht. Gratuliere!“
Damit kann ich jetzt viel anfangen, dachte sie. Sagen konnte sie es ja nicht.
Dann wurde ihr Mund nach und nach mit verschiedenen Pasten gereinigt und dazwischen gründlich mit Wasser gespült. Sie fühlte sich wie bei der Autopolitur im familieneigenen Autohaus.
„So, das war die Mundraumreinigung, die werden wir nur alle drei bis vier Wochen durchführen. Die eigentlichen Apparaturen werde ich jetzt reinigen. Das könnte allerdings etwas unangenehm werden.“
Was war den das bis jetzt?
Und es wurde tatsächlich noch unangenehmer. Alle Zwischenräumen zwischen den achtundzwanzig Zähnen wurde systematisch nach Plaque abgesucht.
„Das ist gerade bei einer Vollbebänderung wichtig. Wenn, wie bei ihnen, geplant ist, die Apparaturen länger eingesetzt zu lassen, kann sich in den Zwischenräumen, zwischen Zahn und Zahnfleisch Karies bilden.“
Schon wieder so eine kryptische Aussage: wie bei ihnen, die Apparaturen länger eingesetzt zu lassen. Fiona war nach wie vor überzeugt, dass ihre Zähne perfekt sind, und dass sie die Zahnspangen in maximal einem halben Jahr wieder los sein werde. Beim Gedanken, dass es länger dauern könnte, bekam sie fast eine Panikattacke.
Nachdem alle Zwischenräume gereinigt waren, und Fiona mehrmals den Eindruck hatte, sie werde bestimmt mit einigen Zähnen weniger nach Hause gehen, sagte die Dentalhygienikerin:
„Nun werde ich die Apparaturen noch aufpolieren. Sie werden sehen, diese werden noch mehr scheinen, als am Tag, an dem sie ihnen eingesetzt wurden. Die Polierpasste wird allerdings auch wieder einen etwas unangenehmen Geschmack haben.“
Dann polierte sie mit einer scheusslichen Paste jedes einzelne Metallteil in Fionas Mund. Und das sind einige.
„Bis jetzt hatten wir die Pflicht, jetzt kommt die Kür. Es sieht doch nichts reiner aus, als eine blitzblank polierte Apparatur. Gerade bei ihnen, Fiona, wo sie doch Wert auf ihr Äusseres legen.“
Sogar die beiden Facebows wurden aufpoliert, was beim oberen, festverbauten besonders unangenehm war.
Fiona war froh, als der Spreizer wieder entfernt war und sie sich endlich den schrecklichen Geschmack aus den Mund ausspülen konnte. Fehlanzeige.
„Ich habe ihnen einige Lösungen appliziert. Damit diese ihre Wirkung entfalten können, dürfen sie die nächsten drei Stunden nichts essen und nichts trinken.“
Wenigstens den Kiefer etwas entspannen... auch hier Fehlanzeige.
„So, dann setze ich ihnen die Gummis und den unteren Headgear wieder ein.“
Zuerst waren die Gummis an der Reihe, dann der untere Facebow.
„Sind sie sicher, dass die sie die Powermodule am Headgear richtig benutzt haben? Das wird ja praktisch keine Kraft erzeugt, lassen sie mich rasch nachsehen...“
Sie öffnete im Computer ihre Krankenakte, las sie durch, und meinte: „Ganz offensichtlich. Da steht sogar ‚kraftfrei‘ der Doc wird wissen warum.“
Dann wurde Fionas Stuhl wieder in die aufrechte Sitzposition gefahren und sie bekam einen Spiegel in die Hand. Das war wirklich ein Unterschied zu vorher. Es waren alle Teile auf Hochglanz poliert, es spiegelte alles.
„Sind sie zufrieden?“
Nein, das war sie grundsätzlich nicht, aber da konnte die Dentalhygienikerin nichts dafür. Sie nickte sie dankend an.
„Ich kann mir vorstellen, dass es ihnen schwerfällt, aber sie sollten anfangen, wieder versuchen zu sprechen. Einer der Gründe ihrer Behandlung, ist ihre leichte Sprachstörung, die überwinden sie mit dieser Apparatur nur, wenn sie auch aktiv damit arbeiten.“
„Isch wäde esch veschuschen. Dansche!“
„Sehen sie, es geht ja.“
„Eine Frasche hätte isch nosch.“
„Ja bitte.“
„Schtet da wirschlisch in der Agschte, dasch die Faschbowsch scheine wirschung haben?“
„Nein, das steht da nicht, ein Headgear kann auch zur Stabilisierung eingesetzt werden.“

Es war viertelvorzwölf, als Fiona wieder auf der Strasse stand, sie nahm den Schminkspiegel aus ihrer Handtasche und sah sich an. Das Make-up hätte zwar eine Auffrischung vertragen können, und die Facebows glänzten wirklich extrem. Sie zog die Lippen auseinander, auch dort: hochglanzpolierter Stahl, man konnte sich darin spiegeln. Eigentlich gefiel es ihr. Den Gedanken, sich mit ihren Zahnspangen anzufreunden, vertrieb sie sofort wieder. Nur schon wegen dem grässlichen Geschmack im Mund.
Als sie auf den Gehsteig vor sich schaute, kam ihr der Typ aus der Bar, der bei ihnen ein Auto bestellt hat, entgegen. Er erkannte sie sie auch gerade.
„Oh, hallo. Ich hoffe es geht dir besser.“
„Esch gschet scho. Wie du hören kansch, immer nosch grosche Schwierigscheiten beim schpreschen.“
„Aber die Schmerzen sind erträglich? Könnte mir vorstellen, ein Doppel-Headgear kann ganz unangenehm sein.“
„Dasch geht rescht gut. Ich war gerade bei der Dentalhüschienizscherin, und schie hat gscheschat, dasch gar gscheine Kraft auf den Faschbowsch schei. Die scheien nur tschum schtabilischieren.“
„Wenigstens das!“
„Zeit für einen Kaffee? Das ist keine Anmache, ich bin glücklichst liiert, auch eine Patientin von MacGee übrigens.“
„Eigschentlisch gerne, aber schie hat mir Dingsche insch Maul gscheschtrischen, darum darf isch für drei Schtunden nischtsch eschschen und trinken. Isch würde scher gscherne, der Gschemacksch von dem Tscheugsch ischt scheuschlisch.
Aber man schietsch schisch beschtimmt wieder schpäteschtensch, wenn dein Auto hier ischt.“
„Oh ja, ich freue mich. Und alles gute! Ich drück dir die Daumen.“
„Danke, dasch kann isch scher gut brauschen. Tschüschsch!“

Sie dachte sich, scheint ein netter Kerl zu sein, schade hat er schon eine Freundin. Und dazu noch eine Hübsche, sie konnte sich daran erinnern, dass sie mal mit ihm im Autohaus war. Aber einen Versuchen wäre es trotzdem wert. Als sie realisierte, dass sie eigentlich zur Zeit mit ihren Zahnspangen und der Art, wie sie zu reden gezwungen war, bei Männern gar nichts anrichten kann, wurde sie melancholisch.


Sie traf diesen Kerl schneller, als sie erwartet hätte. Fiona brauchte ein paar Tage Ruhe. Weg aus der Stadt, weg vom Geschäft und weg von Mama und speziell Papa. Sie konnte das Gespräch mit ihm, damals in seinem Büro nicht mehr richtig einordnen. Da waren zu viele Fragen im Zusammenhang mit ihrer kieferorthopädischen Behandlung, die sie sich nicht schlüssig beantworten konnte, die man auch nicht nachfragen konnte. Und es kamen immer neue Fragen dazu.
Sie überredete ihre Schwester über das Wochenende in einem schön gelegenen Ressort oben in den Bergen zu verbringen.
Sie kannte es von früher; sie hat sich einige Male mit Männern dort aufgehalten, von denen ihr Vater nichts wissen musste und durfte.

Die Nummer 22 war ihr Lieblingscabin. Sie hatte dort einige schöne Tage in schöner Gesellschaft verbracht. Vielleicht hoffte sie an diese Erinnerungen anschliessen, oder zumindest in Erinnerung rufen zu können. Sie war sich allerdings absolut im Klaren, in ihrem derzeitigen Zustand, waren Männergeschichten ausgeschlossen.

Katy, ihre ältere Schwester, und sie waren auf dem Weg vom Cabin zum Parkplatz, um die letzten Gepäckstücke vom Auto ins Cabin zu transferieren - Fiona reiste für gewöhnlich mit viel Gepäck - als er unmittelbar vor ihr stand. Man begrüsste sich, sie stellte ihre Schwester vor. Genau so, wie damals auf der Strasse, sie fühlte sich gut in seiner Nähe. Sie bemerkte, dass er sie genau musterte, und dass ihm ganz offensichtlich gefiel, was er sah. Seit sie sich wieder in dieser auch optisch massiven Behandlung befand, fühlte sie sich unwohl in der Nähe anderer Menschen. Bei ihm war das nicht so. Sie freute sich, als er sie und Katy in ihr Häuschen einlud.

„du bist wirklich nicht zu ändern!“ ärgerte sich Katy auf dem Weg zum Parkplatz.
„Warum?“
„Was willst du? Wir haben beschlossen, ein friedliches Wochenende zu verbringen, Trübsal zu blasen, und uns selbst zu bemitleiden...“
„... und Rotwein zu trinken. Gantsch viel Rotwein!...“
„... und du? Du rennst dem ersten Paar Hosen nach, das uns begegnet!“
„Esch waren Schortsch. In meiner Gegenwart kann man schoviel tegschilbetschogens Vokabular vorauschschetschen.“
„Siehst du! Muss herumlaufen, wie der Roboter im Zauberer von Oz, benimmt sich aber immer noch wie die Society Lady. Diese Zeit sind vorbei, Schwesterchen, ein und allemal vorbei. Wir haben keine Kreditkarte mehr und können froh sein noch keinen Mietzins zahlen zu müssen. Wir können nur hoffen, diesen Sch***s im Gesicht wieder los zu werden.“
Fiona wurde nachdenklich, heisst das wirklich, ihre Schwester, die sie manchmal für etwas naiv hält, hat auch schon daran gedacht, dass ihre Zahnspangen keiner zahnmedizinischen Behandlung dienen könnten? Das muss sie dringend heute Abend nach der ersten Flasche Rotwein nochmals ansprechen.

„Katy, wasch scholl isch antschien? Im Etuikleid schehe isch scharf ausch, aber dasch wollte ich bei anderer Gelegenheit tragen.“
„Du willst wirklich hinüber gehen?“
„Yesch Schischter. Und du bischt dabei. Auch wenn isch disch in den groschen Koffer schteckschen und hinüber schleifen musch!“
„Du spinnst vollkommen, weisst du das?“
„Losch grosse Schweschter!“
„Aber ich komm‘ so, wie ich bin.“
Fiona wusste, dass es so enden wird. Sie gewinnt, wie immer, und Katy denkt, wegen eines klitzekleinen Kompromisses, sie hätte gewonnen. Das war schon so, als sie - Fiona - noch nicht einmal selbstständig gehen konnte. Schon damals an den Händen der grossen Schwester bestimmte Fiona, wo es lang ging, nicht Katy.
Sie sass vor ihrem Spiegel, änderte ihr Make-up dem gewählten Outfit an. Sie grinste diabolisch und fand dass dieses durch den polierten Stahl in und um ihren Mund noch gewinnender würde. Sie erschrak. Wieder dieses Gefühl, ihre Zahnspangen zu mögen. Niemals!

Katy musste zugeben, Fiona sah hinreissend aus.
„Hascht Du geschehen? Meine Schandalen paschend tschu dem Tschanschpangschen! Diesche Schandalen habe isch geschehen, alsch isch bei der Dentalhygienikerin war. Die muschte isch haben!“

Der anschliessende Besuch im Cabin nebenan, verlief nicht wie sich das Fiona vorgestellt hatte. Alle Mädels hatten Zahnspangen im Mund, es war wie in ihrer Schulzeit. Speziell eines der Mädels war ihr auf Anhieb sympathisch: Cristina, die hätte ihre Zwillingsschwester sein können. Sie fanden in kurzer Zeit beide heraus, wie manipulativ sie beide waren. Sie merken, einen Kampf um die Vormachtstellung ist sinnlos. Beide sind ebenbürtig.
Sie waren mit zwei Autos in einem Papageienpark, und sie konnten es so deichseln, dass sie zusammen in Fionas Fiat zurück ins Ressort fahren konnten.
„Wirklisch ein Schatsch, dein Freund.“
„Mein Schatz, Fiona, mein Schatz!“
„Haben wir dasch nischt geschtern schon geklärt? Rivalitäten tschwischen unsch, schind schinlosch!“
„Das hast du also auch so verstanden? Whow! Ich glaube ich habe noch nie eine Frau wie dich getroffen. Nichts sexuelles, nicht das du mich missversteht. Aber sonst so, ach ich weiss nicht wie ich das sagen soll...“
„Isch weisch wasch du meisch. Esch geht mir gleisch. Wahrscheinlich haben wir die gleische Schuhgröschsche?
War identisch, die Körpergrösse war identisch, sogar das Gewicht und somit auch der BMI. Nur die Blutgruppen waren unterschiedlich.
„Wann hascht du eischentlisch Geburtschtag.“
Diese waren ebenfalls nicht am selben Datum.

„Schönes Auto hast Du übrigens.“
„Findescht du. Den schah isch dasch erschte mal in London, und dann muschte isch einen haben. Das war der erschte auf Schaint Hiram.“
„Was kostet der? Mein Freund fand, wir sollten für mich auch ein Auto suchen.“
„Wir haben gerade einen gebrauschten mit wenig Kilometern. Isch weisch aber jetscht gerade nischt, wasch erkoschtet. Am Montag weisch isch esch.“
„Lass es mich wissen“
„Wasch isch dasch andere Auto für einsch, dasch ausch Auschtralien unterwegsch isch?“
„Irgend ein SUV.“
Beide taten so, als würden sie sich den Mittelfinger in den Hals stecken. Und lachten sich anschliessend fast zu Tode.
„Ich finde deine Konfiguration mit den beiden Gesichtsbögen übrigens lustig, wenn man dir aus Distanz beim Sprechen zusieht, sieht es aus wie ein Entenschnabel.“
„Da bischt du nischt alleine. Im Geschäft schagen schie mir Dayschie deschwegen. Wie Dayschie Dagsch von Mikey Mousch. Finde isch übrigensch nischt gut, dasch du diesches Thema wieder angeschproschen hascht. Der gantsche Scheisch hatte isch gerade vergeschen...“ sie standen vor einer Baustelle an einer Ampel, und Fiona war leicht säuerlich.
„Sorry, tut mir leid. Aber es ist einfach nicht zu übersehen.“


Mittwoch, zehn Uhr morgens ein paar Wochen später. Fiona wurde von der Dentalhygienikerin das Serviettchen umgebunden. Sie hatte ihren verhassten, allwöchentlichen Termin für die Zahnreinigung. Er war schmerzhaft, sie hatte anschliessend immer wunde Mundwinkel und diesen Geschmack im Mund, den sie nicht ausspülen durfte. Die spiegelnde Sensation ihrer aufpolierten Bänder, Brackets und Facebow fand sie hingegen irgendwie schön.
„Wie geht es ihnen heute, Fiona.“
„Jetscht nosch gut. Naschher nischt mehr, meine Mundwinkel schind dann immer verletscht. Und der Geschmasch im Mund ischt schowasch von scheuschschlisch. Daschsch schind scher lange drei Schtuden, bisch isch auschschpülen darf.“
„Gratuliere Fiona, sie sprechen ja wieder richtig gut! Ich werde das Dr. MacGee mitteilten, er hinterliess eine Notiz in der Krankenakte, dass wir ihn über ihre sprachliche Fortschritte informieren sollen. Ich bin gleich zurück...“

Ein Paar stechende Augen sahen auf Fiona herab, es waren die von MacGee.
„Ich habe gerade gehört, dass du dich gut an die Apparaturen gewöhnt hättest?“
„Alscho, dasch isch etwasch übertrieben. Daschsch fängt am Morschen beim erschten Blick in den Schpiegel an, tschiet schisch über dasch Tschäneputschen weiter. Dasch Eschen ischt eine Quall...“
„du weisst schon, du darfst den unteren Facebow und die Gummis zu essen entfernen.“
„Glauben schie mir Doc, dasch isch gantsch beschtimmt!“
An die Dentalhygienikerin gewandt: entfernen sie doch bitte die Apparatur im Gaumen, und machen sie bitte eine Abformung von OK. Bevor sie mit der Reinigung beginnen.“
„Die Apparatur setzen sie nachher wieder ein?“
„Die braucht Fiona nicht mehr. Wenn sie sie behalten möchte, darf sie sie mitnehmen. Aber wenn sie fertig sind, möchte sich sie nochmal sehen.“
Fiona strahlte die Dentalhygienikerin an, die Dentalhygienikerin Fiona, und sie zeigten sich gegenseitig einen Daumen nach oben.
Als die Apparatur draussen war, rief Fiona: „Freedom! Wenigstens fast! Nennen wir es Halbgefangenschaft. Wissen sie was nur schon das für ein Gefühl ist? Jupii!“
„Ja, ich kann es nachfüllen. Ich war auch lange Jahre Patientin hier. Und nächstens heisst es zurück zum Start. Ein MacGee-Modifyer steht an, da freue ich mich gar nicht drauf. Aber wir müssen vorwärts machen... Mund auf bitte!“
Die Abformung ging recht schnell über die Bühne und Fiona hatte nie das Bedürfnis sich zu übergeben.
„Während sie sich den Mund spülte, sagte sie: „sie ein Modifyer? Warum?“
„Wenn der Doc sagt, es sei nötig, dann wird’s wohl nötig sein.“
Sie schüttelte ihre Schultern und begann Fiona den Lippenspreizer einzusetzen.
„Zur Zeit herrscht hier gerade eine richtige MacGee-Modifyer-Euphorie. Ich bekomme einen, die zweite Dentalhygienikerin hat in schon und der Kollegin an der Rezeption werden gerade die Brackets eingesetzt. Dort frage ich mich allerdings, wie das funktionieren soll, muss sie doch in ihrem Job viel reden. Alles lässt sich mit E-Mails auch nicht erledigen. Ich persönlich werde  es vermissen, mich mit meinen Patienten unterhalten zu können. Am nächsten Mittwoch werde ich bestimmt weniger reden.

Fiona musste länger im Wartezimmer warten, als ihr lieb war. Dabei hatte sie doch vor etwas richtiges Essen zu gehen. Sie hat sich überlegt, Cristina eine WhatsApp zu senden, ob sie Zeit für ein gemeinsames Mittagessen hätte?
Sie musste definitiv nicht warten, weil das Einsetzen der Brackets bei der Rezeptionistin länger gedauert hat. Diese war damit beschäftigt, mit Lippen, Wangen und Zunge ihren Mund zu erkundigen.
Sie sah Fiona, zwinkert ihr zu, zeigte auf ihren Mund und sagte: „ganz neu!“
„ich kenn‘ das Vergnügen. Hatte es zweimal.“
„Dann können sie sich glücklich schätzen.“ und hielt vier Finger in die Höhe. „Dafür blieb mir dies hier erspart.“ und sie fuhr mit zwei gespreizten Fingern horizontal vor dem Mund hin und her. Fiona wusste das damit ihre beiden Facebows gemeint sind.
„Hab sie nicht freiwillig...“ und sie zwinkerte zurück.
„Oh, ich hoffe, sie haben es nicht falsch verstanden!“
„Nein, nein, ganz und gar nicht. Bin gerade unerwartet etwas im Gaumen losgeworden, und bin daher auf Konversation aus.“
„Das freut mich aber! Kommen sie doch her, ich bin froh über Konversation, so lange ich noch kann.“
Fiona stand vor der Rezeption. „Die Dentalhygienikerin hat mir gerade erzählt, dass sie einen MacGee-Modifyer erhalten werden? Mein Beileid, oder was wünscht man in diesem Fall?“
Die Rezeptionistin sah auf ihren Bildschirm: „Ah, dann sind sie Fiona?“ und dachte sich, ich sag ihr jetzt nicht, dass sie ihre vermeintliche Redefreiheit in spätestens dreissig Minuten wieder los ist.
„Was ist mit diesen MacGee-Modifyern? Da scheint ja gerade ein richtiger Boom ausgebrochen zu sein?“
„Der Chef promotet sie gerade strak. Wir haben sicher jeden Tag eine neue MacGee-Modifyer-Patientin. Wir bekommen unsere daher aus kostenlos, wir sind seine Werbebotschafterinnen, sagt er.“
„Aber ehrlich, wenn ich mir sie ansehe, sehe ich bei ihnen keinen Grund für eine Behandlung.“
„Wie bei ihnen, Fiona, bei ihnen seh‘ ich auch keinen Grund. Aber der Chef denkt ganzheitlich und bis ins kleinste Detail. Als ich ihn darauf angesprochen habe, meinte er, mit dem Mundraum bestimmen wir auch, wie uns unser Gegenüber wahrnähme...“ sie lachte Fiona an. Zwei perfekte Reihen Metallbrackets. Die Glückliche muss wenigstens keine Bänder haben, so wie sie, dachte Fiona.
„Und ihr Freund, oder Mann?...“
„Seit zwei Monaten verheiratet!“ und sie zeigte gleichzeitig einen funkelnden Ring am linken Ringfinger und achtundzwanzig funkelnde Brackets auf ihren Beisserchen.
„Oh, da gratuliere doch nachträglich noch!“
„Danke!“ sie schaute nochmals auf den Bildschirm. Ja, da stehen bei Fionas Angaben unter anderem „borniert“. So kommt sie gar nicht rüber.
„Eben, der glücklich Neuangetraute, wie steht er zu ihrer neuen Reise nach Orthodondia?“
„er hat gesagt er freut sich...“
in diesem Augenblick kommt Doc MacGee aus der Tür.
„Habe ich ihnen nicht schon einmal gesagt, das ich diese Plaudereien mit den Patienten nicht dulde? Ja, gut, ab nächster Woche ist ja Schluss damit... Fiona, du kommst mit!“ Fiona und die Rezeptionistin sahen sich mit grossen Augen an. „Hopphopp, das ist hier wie bei deinen Vater: mit rumstehen verdient man kein Geld!“

Ohne eine Erklärung abzugeben, setze er Fiona etwas ein, dass sich für Fiona gross und weich anfühlte. Es war hinter ihren Frontzähnen, etwas weniger hoch als diese, nahm den vertikalen Raum zwischen den ersten Molaren ein und bilde Richtung Frontzähne eine Art Rampe. Und es hatte einen scheusslichen Geschmack, der Zusammen mit den anderen scheusslichen Geschmäckern in Fionas Mund dazu führte, dass sie sich übergeben musste.
„Nanana. Das wäre aber nicht nötig gewesen.
„Dürfe ich bitte ein Glas haben?
„Hat dir die Dentalhygienikerin nicht gesagt, dass nach der Zahnreinigung, wie wir sie bei dir angewandt wird, für drei Stunden nichts getrunken werden darf? Von meiner Seite wäre es das. Du hast ja den nächsten Termin schon.“

Fiona ging geknickt hinaus, nicht genau wissend, ob und wann sie sich nochmals übergeben muss. Sie ging nur der Ausgangstür zustrebenden wortlos an der Rezeptionistin vorbei. Diese wollte ihr eigentlich noch adieu sagen. Murmelt dann aber: „doch borniert...“

Fiona setze sich in ihren roten Fiat 500 Innocenti und drehte die Klimaanlage voll auf. Sie brauchte Luft, ganz viel Luft. Sie war sich immer nicht sicher, ob sie sich nochmals übergeben muss. Im Magen rumorte es immer noch. Abwarten wird die beste Lösung sein.
„Ihr Parkticket ist abgelaufen!“
„Tschoi, mi geht esch geade tschiemlisch misch!“
„Alkohol? Drogen?“
Sie blickte auf und direkt ins Gesicht eines Polizisten. Sie versuchte zu lächeln.“
„Tschanartscht!“
„Brauchen sie Hilfe? Sie sind ja grün im Gesicht.“
„Dangsche. Wid schon wiede“
„Sonst einfach hupen! Wir sind noch etwa zehn Minuten da hinten.“
Fiona sah auf den Boden und wusste nicht, in welche Richtung er zeigte.
War gerade etwas viel für sie. Dieser Geschmack im Mund von diesen Reinigungsmitteln, dann der Kunststoff und ihre eigene Kotze. Sie hat gerade realisiert, das „r“ kann sie, neben den „s“ auch nicht mehr richtig aussprechen, und der Polizist, war der, der sie beim Kiffen erwischt hat. Ob er sie noch erkannt hat? Wahrscheinlich nicht, mit dem Vogelkäfig um den Kopf sieht sie anders aus.

Mit diesem Joint fing alles an. Bei ihr. Nicht bei Katy, die steckte damals schon in Schwierigkeiten. Wegen zwei männlichen, prallen Poobacken aus London.

Die Jungs in der Werkstatt im Autohaus hatten sie gefragt, ob sie auch schon gekifft hätte. Sie antwortete stolz, dass sie noch nie Drogen konsumiert hätte.
„Dreissig und noch nie gekifft, ist wie zwanzig und noch Jungfrau!“
Sie hatte ihr erstes Abenteuer, als sie schon weit über zwanzig war. Und sie fühlte sich deswegen etwas minderwertig. Katy war da anders. Aber Katy hatte nach der Meinung Fionas keinen Sinn für Qualität. Auch bei ihrer Garderobe. Wenn sie, Fiona, nicht hin und wieder helfend eingreifen würde, Katy hätte Jeans mit Löchern an den Knien und wäre tätowiert...
Aber es geht ja ums kiffen. Fiona wollte es einmal ausprobieren, und weil sie wusste, wo die Mechaniker in der Mittagspause ihren Joint rauchen, ging sie dort vorbei. Des Chefs kleines Prinzesslein will einen Joint? Sie solle am nächsten Tag nochmals vorbeischauen.
In der Zwischenzeit überlegten sie während mehrer Joints, ob es eine Falle sei? Sie überlegten sich, ob sie ihr fast nichts verkaufen sollten, oder eine Menge, „die einen Elefanten aus den Socken kippt“. Wegen Vorstellung von Fiona irgendwo stoned herumliegen, entschieden sie sich für die Elefanten-Variante.

So fuhren Fiona, der mehrfach überbezahlt Joint und ein Feuerzeug Cartier an einem Freitagabend der Küstenstrasse entlang zu einem Parkplatz. Das Feuerzeug entfachte den Joint und dieser entliess seine berauschenen Wirkstoffe in Fionas Lunge, welche von dort ins Blut und so auch im Hirn ankamen. Dort brach ein Chaos sondergleichen aus, der nicht einen riesigen Elefanten aus den Socken kippen liess, sondern die einssechzig grosse Fiona mit bergseeblauen Augen, blonden Locken und einem idealen BMI.
Besorgte Mitbürger telefonierten der Polizei, diese wiederum telefonierten dem Halter des ferrariroten Fiat 500 Innocenti mit Sportfelgen, Faltdach und Bose-Soundsystem: Fionas Papa. Die Polizei war nicht glücklich, Fiona Papa war nicht glücklich, und Fiona war stoned.

Als Fiona an diesem Tag, später als vorgesehen, unter den Puder immer noch grün, aber mit frisch aufpolierten Zahnspangen ins Büro des Vaters torkelte, schaute dieser seine Tochter an und fragte gerade heraus: „Drogen?“
„Nein, Tschanatscht. Papa wi müschen eden...“
„Ich versteh dich nicht.“
„Dasch weschen de Tschaschpanschen, Papa! Ve‘schtesch du nischt?“
„Ja?“
„Wasch geht hie vo? Diese Tschanschpangschen, die schind doch nicht, um meine Tschäne tschu ichten. Du willscht mich, damit di-tschi-plin-ien!“
„Wenn du das sagst, was ich bei deiner undeutlichen Aussprache verstehen, dann sag‘ ich dir: es ist kompletter Humbug!“
„Papa, isch kann nischt meh! Bitte!“
„Was willst du?“
„Dasch du, MacGee an‘ufst, und ihm schagscht, e‘ scholl wenigschtensch das hie‘ entfe‘nen, damit isch wiede‘ ve‘schtäntlisch schp‘eschen kann.“
„Du verwechselst offensichtlich eine Arztpraxis mit einem Coiffeursalon: auf der seine etwas mehr, aber nicht beim Scheitel. Vor kurzem habe ich dir in diesem Büro gesagt, dass das Leben so nicht funktioniert! Ich habe damals gemeint, du hättest es begriffen. Da habe ich mich getäuscht. Nimm dir Katy zum Vorbild. Die hat auch wieder Zahnspangen bekommen. Und sie jammert nicht so herum.“

Fiona sah ein, reden bringt nichts. Sie ging zurück zum Auto und wollte nur noch heim, vor allem wollte sie, dass sie niemand so sieht. Auch mit den ganzen Installationen um ihren Kopf, wollte sie hübsch sein.

Offline anton08

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Re: Fiona Spin Off von „auf zu neuen Ufern“
« Reply #1 on: 21. September 2022, 13:44:12 PM »
Bloß so eine Idee: Würde es nicht Sinn machen, nachdem die Hauptgeschichte verlagert wurde, diese hier auch zu verschieben?